Inhaltsübersicht:
- Anyànaé (21 Jahre) aus eigener Sicht zum Thema: Über Stärke verletzlich sein"
- Der Umgang mit Stärke und Verletzlichkeit im Erwachsenenalter
- Wenn Kristallkinder traumatisiert werden
Der Umgang mit Stärke und Verletzlichkeit im Erwachsenenalter
Es
scheint mir sehr wichtig zu sein, genauer zu betrachten, was es für
eine "Kristallseele" bedeutet, mit diesen Projektionen von Unverletzlichkeit und
Unbesiegbarkeit umgehen zu müssen, woraus sich ergibt, dass eine
natürliche Rücksichtnahme vernachlässigt wird oder wegfällt. Es
besteht die Gefahr, dass sich gerade Menschen mit einer solchen Veranlagung durch die langjährige Erfahrung
mit dieser Tatsache immer noch mehr auf ihre Eigenkompetenz und
Bedürfnislosigkeit zurückziehen, so in eine permanente
Mangelsituation geraten können und sich ständig selbst überfordern.
Die Mitmenschen aber unterliegen einer völligen Fehleinschätzung der Lage.
Noch etwas muss hier neu betrachtet werden. Wir
haben für Krisen und Notfälle eine „Ermutigungskultur“, die dem
betroffenen Menschen vermitteln soll: „Du schaffst es! Ich vertraue
auf die Kräfte in dir!“ Diese gut
gemeinte und oft auch wirklich förderliche Haltung kann bei Kindern
wie Erwachsenen mit „Kristallwesenskräften“ oft geradezu
schädlich sein. Die Tendenz zur Selbstüberforderung wird unter Umständen von einem „Du schaffst es! Nur weiter so!“ dermaßen verstärkt, dass erst ein Zusammenbruch das Wahre zeigt.
Der Fokus muss für diese Menschen darauf liegen, sie darin zu ermutigen, ihre Not auszudrücken, ihre Bedürfnisse abzuklären und sie zu ermutigen, Hilfe anzunehmen – obwohl wir ihre Größe, Stärke und Kompetenz nach wie vor sehen und sie darin wertschätzen.
Wenn Kristallkinder traumatisiert werden
Vorschau auf Teil 3 :
- Ein Kristallraum als persönlicher Rückzugsbereich
- Kristallschutz und die Rettung ins Exil
Teil 1 endete mit meiner Beobachtung, dass Menschen mit Kristallwesensanteilen offenbar teilweise oder ganz auf einen natürlichen Schutz verzichten, der als "Kindchenschema" beschrieben wird.
Auch als Erwachsene greifen wir auf Verhaltensweisen aus Kinderzeit zurück, wenn wir uns verunsichert oder verletzlich fühlen. Über Mimik, Gesten, Tonfall vermitteln wir: "Bitte nimm Rücksicht!" Und die anderen Erwachsenen erinnern sich an das "Kleine" im Menschen, das beschützt werden muss. Ein Verzicht auf diese allgemein vertrauten Signale wird dann schnell als Unverletzlichkeit gedeutet, als Überlegenheit, in der die Person keine Hilfe oder Rücksichtnahme bräuchte.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse in diesem Zusammenhang ist deshalb für mich das Paradox, dass ein Mensch über Stärke, Größe und Würde seine Verletzlichkeit zum Ausdruck bringen und gerade darüber am Tiefsten verwundet werden kann.
Seelentochter Anyànaé (21 J.) aus eigener Sicht zum Thema: "Über Stärke verletzlich sein"
Ich
bin verletzlich, weil ich in Reinheit mit dem da bin, was ich bin. Es
ist nicht angelehnt an etwas, was andere sind oder vor mir waren. Es
ist nicht nachgeahmt oder eine Variation von etwas Vertrautem. Darum
kann ich mich hinter nichts verstecken. Ich bin frei von den
Beschränkungen des Vertrauten. Das kann so leicht sein wie ein
Vogelflug. In der Welt, wie sie immer noch ist, führt die Freiheit,
ganz das eigene zu sein, jedoch schnell dazu, für „vogelfrei“
erklärt zu werden.
Sich
in etwas einzufühlen, was völlig fremd ist, ist sehr schwer, darum
rühre ich nicht in gleichem Maße das Mitgefühl in anderen Menschen
an. Ich weiß, dass das Wort „Mitleid“ zwiespältig ist, doch
brauche ich es, um etwas Bestimmtes auszudrücken. Als Kind habe ich
erlebt, was es heißt, wenn Menschen mitleidlos
handeln. Ohne Mitleid,
was genauer meint, ohne
Mitgefühl, werden
Menschen grausam,
ohne es zu merken – denn sie fühlen die Verletzungen und die
Schmerzen nicht, die sie zufügen.
Noch
etwas kam dazu, was solchen Menschen Grund gab, mich zu verletzen.
Wenn sie mich ansahen, haben sie meine Art der Stärke – eigentlich
ist es meine Art des Seins, die stark wirkt
– für sich so übersetzt, wie sie
sich fühlen würden, wenn sie so wären, wie ich
auf sie wirke. Sie
selbst würden sich
dann unverwundbar, unbesiegbar, überlegen oder sogar beherrschend
fühlen – mit einem Wort: machtvoll!
So
darf ein Kind, und dann noch ein kleines Mädchen, nicht sein. Für
viele darf auch eine Frau so nicht sein. Und für ebenso viele stellt
das bereits eine Anmaßung und Überheblichkeit dar, die überhaupt
niemand haben sollte und die geahndet werden muss.
Ich
fühle mich nicht
unverwundbar, unbesiegbar, überlegen und schon gar nicht
beherrschend. Ich fühle mich göttlich, aus dem Göttlichen kommend
und als Teil dessen. Aber ich empfinde alle anderen auch so. Einige Menschen bekommen Angst, fühlen sich
dadurch bedroht oder sind innerlich empört. Die harmloseste Form ihrer
ungewollten Grausamkeit liegt dann im Ausblenden und Übersehen, dass
ich existiere.
Es
gibt auch Menschen, die schwanken zwischen Bewunderung und Anziehung
einerseits, bis sie mir näher kommen oder mich länger kennen, um
dann andererseits plötzlich in eine innere Abwertung, Ablehnung oder
Verleugnung genau dessen zu kippen, was sie vorher fasziniert hat.
Das
war schon so, als ich ganz klein war. Es hat mich furchtbar verwirrt
und auch verzweifelt gemacht, weil ich nicht herausfinden konnte,
womit ich das auslöse und warum. Die Erwachsenen, aber auch andere
Kinder, wussten es ja selbst nicht. Darum mussten sie Ersatzgründe
finden. Wenn ich einen der Gründe zu verstehen meinte und mein
Verhalten danach ausrichten konnte, was oft viel Anstrengung
gebraucht hat, fiel der äußere Grund weg, der wahre aber nicht.
Darum mussten diese Menschen dann einen neuen Grund finden. Es war
hoffnungslos.
Der Umgang mit Stärke und Verletzlichkeit im Erwachsenenalter
Sensitive
Erwachsene bleiben dann in Notsituationen genauso fassungslos und verunsichert allein wie hochsensitive Kinder.
Gehen sie doch davon aus, die anderen müssten spüren, wie es ihnen geht und von
selbst etwas für sie tun wollen.
Die Mitmenschen aber unterliegen einer völligen Fehleinschätzung der Lage.
Gerade Erwachsene „Kristall-Seelen“ mit schwerer Kindheit haben
ihre mitgebrachten Stärken zu Überlebensstrategien ausgebaut, die
auch in schlimmster Krisensituation noch greifen. Es ist möglich,
dass sie daraus sogar ein Wertgefühl für sich ziehen, das ihnen
sonst versagt bliebe. Die Überlebensstrategie wurde zum
Selbstgänger. Wenn nicht jemand mit hoher Sensitivität auf die
feineren, subtileren Ebenen des Betreffenden schauen kann, bleibt
zumindest das Ausmaß der Not dieses Menschen unerkannt, wenn sie
überhaupt als solche wahrgenommen wird.
Der Fokus muss für diese Menschen darauf liegen, sie darin zu ermutigen, ihre Not auszudrücken, ihre Bedürfnisse abzuklären und sie zu ermutigen, Hilfe anzunehmen – obwohl wir ihre Größe, Stärke und Kompetenz nach wie vor sehen und sie darin wertschätzen.
Wenn Kristallkinder traumatisiert werden
Wenn
es aber zu einem so hohen Leidensdruck kommt, verlieren auch diese
Kinder ihre Stabilität und Selbstverständlichkeit. Vor allem durch
Verwirrung können sie den Bezug zu dieser ihnen eigenen Wesensebene
verlieren. Werden sie gerade über die wesensmäßige Stärke
angegriffen und existentiell in Frage gestellt, wird ein
„Kristallkind“ wie alle anderen Kinder zu indirekten,
untergründigen Mitteln greifen, um das zu bekommen, was es zum
Überleben braucht.
Entsprechend
der hohen Sensitivität, Klugheit und Reife wird es diese Strategien
besonders subtil und unauffällig gestalten können, was erst einmal
für die verborgene Stärke des Kindes spricht. Nur wird es dadurch noch
schwerer als bei anderen Menschen, diese später wieder aufzuspüren
und zu lösen.
Die
feinen, subtilen bis ins Manipulative reichenden Strategien
hochsensitiver Menschen aufzuspüren ist umso schwerer, als dass die
Ebene der Bedrohung unmittelbar über die Existenz als
Kristallwesen empfunden wird. Sich dem zu nähern, löst
Vernichtungsängste aus, die über das Physische hinausgehen. Es
liegt in der Natur der Sache, dass sich die dazugehörenden Muster
leicht entziehen, verschleiern oder neu tarnen.
Darum
ist es mir so wichtig, auf die hohe Verletzlichkeit und damit auf die
Gefahr von Traumatisierungen aufmerksam zu machen. Anders als bei den
sogenannten „Indigo-Kindern“, deren Auffälligkeiten, wenn sie in
Not geraten, inzwischen Bücher und Kongresse füllen, werden die
Notsignale von „Kristallkindern“ so leise und fein ausfallen,
dass fälschlicherweise angenommen werden kann, es sei alles in
Ordnung.
Dass
„Kristallkinder“ eher einer Pathologisierung entgehen, ist sicher in gewissem Maße von
Vorteil. Andererseits wird es aber verstärken, sich mit ihrer Angst
und Not sowie in ihrem Schmerz furchtbar allein und ungesehen zu
fühlen, weil nicht einmal über die Krankenschiene ein Engagement
für sie stattfindet. Wie stark sie für psychosomatische Symptome
anfällig sind, ist mir noch nicht zugänglich.
Vorschau auf Teil 3 :
- Ein Kristallraum als persönlicher Rückzugsbereich
- Kristallschutz und die Rettung ins Exil
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen